ein Gespräch mit Thomas Hitzlsperger
Im Jahr 2009 wurden die LfgR für ihr langjähriges Engagement gegen Rechtsextreme und Rassisten in der Kurve vom Deutschen Fußballbund mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet. Im Vorfeld staunten sie nicht schlecht, als ihnen eine Anfrage von Thomas Hitzlsperger mit der Bitte um ein Interview für seinen Internet-Blog (blog.zeit.de/stoerunsmelder)¹ in den elektronischen Briefkasten geflattert kam - entsprachen diesem Wunsch aber natürlich sehr gerne.
Der so entstandene Kontakt und die Zusammenarbeit ist seither nicht mehr abgerissen sondern eher noch intensiver geworden, und so kommt es im Löwenmut nun zum Rückspiel, was die Interviews betrifft.
Hier unsere Fragen:
LM:Thomas, du hast dich letztes Jahr ganz besonders darüber gefreut, dass der Julius-Hirsch-Preis an Löwenfans vergeben wurde. Wie kommt das?
TH: Ich bin in einer Familie groß geworden, die hauptsächlich aus Löwenfans besteht. Meine älteren Brüder, mein Vater, fast alle sind sie damals ins Grünwalder und haben die Löwen angefeuert. Ich habe zwar 11 Jahre an der Säbener Str. trainiert und gespielt, aber zuhause regierten die Farben und Weiß und Blau.
LM: Du schreibst in deinem Störungsmelder-Blog schon seit Jahren unermüdlich gegen NaziUmtriebe speziell im Fußball, aber auch allgemein in der Gesellschaft an. Warum ist dir gerade dieses Thema so wichtig?
TH: Meine Auslandserfahrung hat mich stark geprägt. Der Umgangston in der Premier League war rau, oft grenzwertig. Aber auch abseits des Platzes merkte ich, dass die Spieler wenig Geschichtswissen mitbrachten und teilweise dumpfe Parolen von sich gaben. Ich setze mich dafür ein, dass jeder die gleiche Chance erhält und nicht aufgrund seiner Herkunft ausgegrenzt wird.
LM: Welche Erfahrungen hast du denn ganz persönlich bei deinen letzten Vereinen zum Thema Rechtsaussen machen können? Von Aston Villa und vom Vfb Stuttgart hört man da ja zumindest öffentlich eher wenig, während Lazio Rom auf diesem Gebiet doch einen einen außerordentlich schlechten Ruf hat?
TH: Ja, Lazio Rom war schon eine besondere Erfahrung für mich. Ich wusste im Vorfeld, dass es kein gewöhnlicher Klub ist, besonders im Bezug auf Rechtsextremismus. Ich habe erlebt, wie mehrere Hundert Fans in der Kurve standen und »Duce, Duce« riefen, dazu noch den Arm ausgestreckt als Faschisten-Gruß. Ein paar meiner Kollegen waren nicht überrascht, aber ebenfalls sprachlos. Der Verein hat nichts unternommen und duldet somit rassistisches Verhalten seiner Fans.
LM: Du hast sehr gerne in England gespielt, wo sie dir den Kosenamen »Hitz the Hammer« verpasst haben, und wirst nun dorthin zurück kehren. Was ist für dich das Faszinierende am Mutterland des Fußballs?
TH: Ich freue mich sehr, dass ich für West Ham United spielen kann. Der Klub hat eine große Tradition und ebenfalls den Beinamen »The Hammers«. »The Hammers Hammer!« Das passt doch gut zusammen! Die Atmosphäre in den englischen Stadien ist schwer in Worte zu fassen. Ich kenne aber nun drei europäische Ligen aus eigener Erfahrung und kann sagen, dass die Premier League die attraktivste, schnellste und härteste Liga ist.
LM: Stimmen die Gerüchte um eine gewisse Lockerheit auf der Insel?
TH: Das kann ich bestätigen. Wenn das Spiel aber angepfiffen ist, ist es vorbei mit der Lockerheit, dann wird gegrätscht, geschossen und geflucht.
LM: Wie anstrengend ist es, wenn auch an den Feiertagen zwischen den Jahren Fußball gespielt wird - Stichwort »boxing day«?
TH: Die Spiele um die Weihnachtszeit sind etwas ganz Besonderes und eben typisch für den englischen Fußball. Die Spieler freuen sich darauf, die Fans ebenfalls. Allerdings ist die Saison sehr lange, im April und Mai lässt die Kraft bei vielen Mannschaften nach. Über eine Winterpause wurde deswegen auch schon oftmals diskutiert, aber bisher bleibt es wie es ist.
LM: Wie war es für dich, als jüngster Spross mit fünf älteren Brüdern und einer Schwester aufzuwachsen?
TH: Ich kann mir nichts schöneres vorstellen. Ich hatte immer Jemanden, mit dem ich Fußball spielen konnte und es wurde nie langweilig. Auch heute spielt die Familie eine wichtige Rolle für mich. Meine Geschwister und Eltern haben mich über all die Jahre unterstützt, dafür bin ich ihnen dankbar.
LM: Zwei deiner Brüder haben den Fanclub die »Königslöwen« mitbegründet, auch dein Vater fiebert Woche für Woche mit den Löwen. Wie kam es, dass du als Spross einer so blau geprägten Familie zwischen den sportlichen Stationen Forstinning und Birmingham deine Fußballausbildung bei einem Verein absolvieren musstest, den wir hier im Löwenmut nur sehr ungern erwähnen und den wir, falls die Erwähnung einmal unumgänglich ist, konsequent nur als FCBäh bezeichnen?
TH: Mit 6 Jahren spielte ich bei meinem Heimatverein, dem VfB Forstinning. Ein Trainer aus dem Verein kannte den damaligen F-Jugendtrainer der Roten und hat ihn auf mich aufmerksam gemacht. Ich habe kurz darauf eine Einladung zum Probetraining erhalten und einen bleibenden Eindruck hinterlassen. In der nächsten Saison wechselte ich dann und blieb bis zur A-Jugend. Mein Vater hat ein paar mal versucht, mich zu den Löwen zu lotsen, aber ich war stur geblieben.
LM: Warum?
TH: Es lief in der Jugend einfach ziemlich gut für mich, also kein Grund zum wechseln. Ab und zu haben die Löwen versucht, mich abzuwerben, aber ich wollte eben bleiben und mich durchsetzen bis nach ganz oben. Vor meinem Wechsel nach England gab es dann aber keinen Kontakt mehr zu Sechzig, deswegen gab es nicht viel zu überlegen.
LM: Die Verantwortlichen deines damaligen eigentlich kaum erwähnenswerten Vereins haben sich doch sicher sehr darüber »gefreut«, dass du dich unmittelbar nach deiner dort erfolgreich abgeschlossenen Lehrzeit als eines der damals größten deutschen Nachwuchstalente zu Aston Villa abgesetzt hast?
TH: Die waren nicht begeistert und wollten mir ins Gewissen reden. Ich wusste die gute Ausbildung sehr zu schätzen, trotzdem zog es mich auf die Insel. Es war die richtige Entscheidung, wie ich finde.
LM: Die »Zeit« fand es in einem Artikel über dich einmal erwähnenswert, dass du nach ihren Informationen keinen Flachbildfernseher besitzt, gerne kleinere Autos fährst und auch schon mal Lesungen und Buchhandlungen besuchst. Wir kultivierten Löwen finden das schlicht und einfach nur völlig normal und möchten deinen diesbezüglichen Erfahrungsschatz gleich einmal anzapfen. Welche Bücher und Autoren würdest du uns denn als aus deiner Sicht absolut wichtig und lesenswert empfehlen wollen?
TH: Es hat sich in der Zwischenzeit etwas verändert. Ich fahre zwar nach wie vor gerne einen Kleinwagen, aber steige ebenso gerne mal um auf meinen Zweitwagen. Und einen Flachbildfernseher werde ich mir auch bald zulegen. Aber das Interesse am Lesen ist gebliebenund auch Bücher kaufe ich immer noch in der Buchhandlung, anstatt übers Internet. Meine Tipps sind folgende: Wer etwas über England und die Premier-League erfahren will, sollte »Harder, Better, Faster, Stronger« von Raphael Honigstein lesen. Als Roman empfehle ich »The Funny German« von Ronald Reng. Diese beiden Bücher sind für mich die richtige Einstimmung auf die nächsten drei Jahre bei West Ham United.
LM: Bleibt uns nur noch, dir sportlich wie privat für die nächsten Jahre alles Gute zu wünschen. Westham United ist ja ein toller Club mit dem nicht zuletzt auch die Geschichte unserer Löwen untrennbar verbunden ist, und bei dem du dir sicherlich die Aussicht auf ein Comeback im Nationalteam ermöglichen kannst. Und wir wünschen dir natürlich auch ebensoviel Erfolg für dein wichtiges Engagement außerhalb des Platzes, für das dir unser aller Respekt gehört.
LM: Eine allerletzte kleine Frage müssen wir dir aber unbedingt noch ganz konkret stellen: Gibt es denn für dich einen Traumverein, bei dem du deine Karriere einmal ausklingen lassen und heimisch werden willst, und wenn ja, welchen?
TH: West Ham United ist sicherlich eine sehr gute Adresse. Wenn ich den Verein verlassen sollte, zieht es mich wieder in die Heimat. Ein Verein in der Nähe wäre daher eine gute Wahl. Wenn dieser Verein auch noch traditionsreich ist und richtig gute Fans hat, dann sollte ich zugreifen!
LM: Lieber Thomas, von diesem Anforderungsprofil her könnten wir sogar was passendes für dich an der Hand haben - wir werden dann zu gegebener Zeit darauf zurückkommen. Einstweilen vielen Dank für das Gespräch.
Herbert
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