Loewenmut

Das Fanzine für alle Löwenfans und den Rest der Welt

Aus Heft 9: Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?

Ein Blick in die Zukunft zum Jubeltag

Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende? »Hier lebt Sechzig« konnte man vor Wochen beim letzten Heimspiel der Amateure in der tobenden ausverkauften Stehhalle lesen. Auch dem vorherigen »Ohne Sechzger stirbt der TSV« stimmt mittlerweile der gefühlte Großteil der Fanszene zu, ein Erfolg der noch vor wenigen Jahren unvorstellbar schien. Belächelt, in den meisten Fällen sogar offen ausgelacht wurde man für die »Grünwalder Stadion«Rufe und Spruchbänder.Von Seiten des damaligen Sicherheitschefs fiel auch schon mal das Wort »lächerlich«, der Horizont eines Geschäftsführers Ziffzer ging eh nie über Business-Seats und Logen hinaus. Vorletzte Saison noch hatte man beim Auswärtsspiel gegen Aachen Stress mit eigenen Fans, die Protest-Spruchbänder runterreissen wollten, beim Heimspiel gegen Nürnberg legte einem der Verein noch Steine in den Weg um die Durchführung der »Raus aus der Arena«Choreo zu verhindern. Aber nichts ist härter als der Boden der Realität, besonders wenn diese 2. Liga vor unter 10.000 Zuschauern heisst. Wenn man die Entwicklung in der Löwenszene, aber auch in Vereinsführung und Umfeld seitdem betrachtet, kann man eigentlich nur staunen, was da in Bewegung gebracht wurde: X-XXXTausend, Amateure-Dauerkarten-Rekord, Aufrufe fast aller aktiven Fangruppen bis hin zu Flashmobs und der Projektgruppe Stadionzukunft. Eine Entwicklung, die uns als Fans von Sechzig München unvorstellbar vorangebracht hat. Sowohl was die gemeinsame Zusammenarbeit angeht, als auch die Verwurzelung unserer Fanszene im Stadtteil Giesing. Wer alleine nur die gesamten Feierlichkeiten zum 150jährigen Jubiläum und den überwältigenden Anteil anschaut, den Fans dazu geleistet haben, weiß was ich meine. Gründe zum Feiern sind trotzdem rar gesät, denn die Zukunft unseres Vereins schaut rabenschwarz aus und eine kurzfristige Rückkehr nach Giesing scheint immer unwahrscheinlicher zu werden. Dass Sechzig aufgrund der horrenden Kosten in der Arena am finanziellen Abgrund steht ist schon seit längerem ein offenes Geheimnis. An dem rettenden Aufstieg in die 1.Liga und damit mehr Zuschauer und TV-Gelder darf aufgrund des sportlichen Personals und der finanziellen Möglichkeiten getrost gezweifelt werden. Und selbst wenn, die finanzielle Situation in der Arena dürfte sich auch eine Spielklasse höher nicht sonderlich verbessern, man wäre immer noch Mieter der Roten und 10.000 Erfolgsfans mehr würden die sterile Atmosphäre in Fröttmaning wohl auch kaum besser werden lassen. Deswegen kann das erste Ziel nur »Raus aus der Arena« sein und wer sich die Reaktionen von Öffentlichkeit und Vermieter anschaut, kann auch kaum noch Zweifel haben, dass es wohl nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Sechzig der Betonwüste den Rücken kehrt. Entscheidend wird das Wie und Wohin sein. Sechzig braucht einen echten Neuanfang. Es ging bei den Protesten gegen die Arena schließlich nie nur um den finanziellen Aspekt der Kooperation mit den Roten, sondern auch immer um die Identität unseres Vereins. Dass diese durch Größenwahn, Schmiergeldzahlungen, die Abhängigkeit von den Roten, chaotische Zustände in der Vereinsstruktur und die katastrophale Präsentation von 1860 gegenüber der Öffentlichkeit fast vollständig zerstört wurde, wiegt schwerer als jedes Minus auf dem Konto. Hierin ist wohl auch der Hauptgrund für das vorläufige Scheitern der Rückkehrpläne nach Giesing zu suchen. Dem Neu- und Umbau von Stadien wird immer besondere Aufmerksamkeit geschenkt, ausschlaggebend ist jedoch bei allen Projekten der politische Wille und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Natürlich sind Bürgschaften und Bauvorschriften bei solchen Großprojekten politische Verhandlungsmasse, wer sich den Umbau des Millerntors anschaut, weiß aber was möglich ist, wenn Stadt und die Öffentlichkeit mitspielen. Dass sie das bei uns nicht getan haben, verwundert spätestens nach Absetzen der blauen Brille eigentlich kaum. Die Stadt hat nicht das geringste Interesse an einem erstligatauglich ausgebauten Grünwalder Stadion und den Münchner Bürgern wäre eine Beteiligung der Stadt an einem erneuten Stadionprojekt wohl nur schwer zu vermitteln gewesen. Ganz im Gegenteil: Mit der Allianz Arena freut man sich über das »schönste Stadion der Welt«, das war auch die Abermillionen Steuergelder wert, die München zur WM ins rechte Licht rückten. Dass der rote Nachbar die kompletten Anteile am Stadion anschließend zum Spottpreis erwerben konnte wird wahrscheinlich als der wirtschaftlich einträglichste Deal in die Geschichte des Lokalrivalen eingehen. Ausserdem verweist man stolz auf das ausgestorbene Olympiastadion, das zur Aufbesserung seiner katastrophalen Finanzen regelmäßig stattfindende Spiele nur allzu gut gebrauchen könnte. Zu guter Letzt erhält man auch das Grünwalder Stadion und baut es drittligatauglich für die Amateureteams beider Vereine aus. Aus neutraler Sicht ist München also mit erst-, zweit- und drittliga- tauglichen Stadien zur Genüge eingedeckt und Sechzig ist schließlich damals freiwillig in das Arenaprojekt eigestiegen, ganz zu schweigen von den zahlreichen Skandalen und Skandälchen, die das Ansehen des Vereins in den letzten Jahren ramponiert haben. Soweit zur öffentlichen Meinung, die leider auch von Seiten der Presse nur allzu gerne getragen wird. Viel interessanter wären einmal ein paar Nachfragen, besonders an unseren Oberbürgermeister. Er hat als langjähriges Aufsichtsratsmitglied zahlreiche Präsidenten und Geschäftsführer überlebt und hatte in dieser Funktion die Aufgabe, denVerantwortlichen im Verein auf die Finger zu schauen. Und trotzdem will er nicht geahnt haben, dass das Projekt Arena für »seinen Verein« ein Stück zu groß war und Wildmoser sich hier übernimmt? Oder war der Wunsch nach einem neuen prestigeträchtigen Spielzeug für die Stadt einfach größer? Spätestens beim Verkauf der Anteile und den dazugehörigen Knebelverträgen muss dem Mann doch ein Licht aufgegangen sein, dass diese Vereinbarung für Sechzig den Untergang bedeutet. Und während ein Umzug ins Grünwalder absolut unmöglich ist, könnte man quasi sofort ins Olympiastadion einziehen, um die Bilanz der Stadt/Olympiapark GmbH aufzubessern??? Die Beweggründe unseres ehrenwerten Oberbürgermeister dürften wohl nur allzu deutlich auf dem Tisch liegen. Wenn man die Situation rückblickend betrachtet, wären Insolvenz und Rückkehr ins Grünwalder Stadion 2006 wohl die beste Lösung gewesen. Anstatt die letzten Jahre in der 2.Liga rumzudümpeln hätte man die Zeit für einen ehrlichen Neuanfang in Giesing nutzen können und wäre heute wohl sportlich und strukturell weiter als momentan. Doch ist das jetzt immer noch eine Option? Es ist die wohl einzige, die eine baldige Rückkehr ins Grünwalder Stadion möglich machen würde. Vorraussetzung hierfür ist natürlich der finanzielle Kollaps, der einen Neuanfang in einer niedrigeren Liga erzwingen würde. Doch was würde in dieser Situation überwiegen? Beim harten Kern der Fanszene sicherlich die Euphorie, endlich wieder mit vollem Herzen hinter dem Verein und seiner Heimat stehen zu können. Doch für die große Masse der Sechzgerfans wären Insolvenz und Zwangsabstieg wohl der deprimierende Tiefpunkt einer zehnjährigen Talfahrt. Ehrlicher und leichter zu akzeptieren wäre sicherlich ein freiwilliger Rückzug nach Giesing in eine niedrigere Spielklasse. Doch bei aller Verbundenheit unserer Geschäftsführung mit der Heimat an der Grünwalderstr.: Wer für Bilanzen, Sponsoren und TV-Gelder bei der KGAA zuständig ist, zieht sich nicht freiwillig aus dem Profifußball zurück. Das Ziel dürfte eher das Gegenteil sein: Sechzig notfalls auch durch den Verkauf von Jugend- und Perspektivspielern zu hohen Ablösen möglichst lange als Profiverein zu erhalten. Selbst wenn das den Verein sportlich jeder Chance beraubt. Die Kaderplanung für die kommende Saison spricht hier Bände: Verkauft wird alles, was den Etat belastet, aufgefüllt wird mit ablösefreien Spielern und Nachwuchstalenten. Vorwerfen kann man das der Geschäftsführung kaum, was bleibt ihnen anderes übrig? Der Umbruch im Verein bei einer Rückkehr z.B. in die Bayernliga wäre kaum mit dem Abstieg aus der 2.Liga zu vergleichen. Insbesondere an der Geschäftsstelle würde der Rotstift als Erstes angesetzt werden, anstatt von Medienprofis müsste vieles wohl wieder ehrenamtlich von Fans getragen werden.

Aber auch wer an Mannschaft, Jugendarbeit oder Sponsoren denkt, der ahnt, was dieser Schnitt bedeuten würde. Also zurück ins Olympia? Das Stadion, gegen das sich schon vor 15 Jahren zurecht massiver Widerstand bei den Fans bildete? Schwer vorstellbar, dass gerade hier ein Neuanfang für Verein und Fans möglich sein soll. Besonders da der Umzug von Seiten der Stadt fest mit dem Aus für Erst- und Zweitliga-Fußball im Grünwalder verbunden wird. Also gleich wieder langfristige Mietverträge und die Koppelung an ein überdimensioniertes Stadion? Man wäre zumindest nicht mehr Mieter des roten Abschaums. Aber ob das bei Freitagsspielen gegen z.B. den FSV Frankfurt zum Zuschauerboom führen würde, kann man wohl mit einem dicken Fragezeichen versehen. Die Atmosphäre im weiten Rund könnte es wohl an Tristesse ohne Probleme mit der Fröttmaninger Einöde aufnehmen. Sich also jetzt irgendwie ins Oly retten, bevor der Verein endgültig am Ende ist, um dann dort wieder von der Hoffnung Giesing zu leben? Dann doch lieber ein Ende mit Schrecken: Auf der ersten Seite der Zeitung lesen »Sechzig insolvent« und auf der zweiten »Gehts jetzt zurück nach Giesing?«. Ich wäre, glaube ich, nicht unglücklich.

 


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