Loewenmut

Das Fanzine für alle Löwenfans und den Rest der Welt

Aus Heft 8: Bangkok-Paul – die Fahrt nach Hamburg zum Pokal-Achtelfinale

Montag, 26. Januar 2009, »Café Endlos«, 22.40

Das Telefon klingelt, eine wohlbekannte Nummer erscheint auf dem Display. »Ich bins, der Paul, wollte nur nochmal nachfragen wegen unserer Reise morgen.« – »Ist doch alles klar. Ich habe die Fahrkarten und die Eintrittskarten. Treffpunkt um genau 10 Uhr am Gleis 18. Wir nehmen den ICE 880 um 10.20, aber ich möchte gerne einen Sitzplatz, habe nicht reserviert, also sei bitte pünktlich.« – »Klar bin ich pünktlich, versprochen.« – »Ich meine 'richtig pünktlich', nicht 'Paul-pünktlich', ja? Was zeigt deine falsche Rolex gerade?« – »Wieso, halb elf …« – »Es ist genau zwanzig vor elf. Stell sie bitte, und morgen Früh gleich nochmal nach dem Radio, klar?« – »Alles klar, Chef.« – »Ich meine das ernst. Wir fahren nicht nach Unterhaching, wo es alle 20 Minuten eine S-Bahn gibt.« – »Jaja.« – »'Jaja' heißt 'leck mich' …« – »Nein, kannst dich auf mich verlassen.« – »Eben drum. Also dann Servus, und versumpf ausnahmsweise mal nicht, bitte.«

Dienstag, 27. Januar, Gleis 18, 10 Uhr

Puh, das war knapp, Gerade noch geschafft. Viele Löwen; manche sind schon jetzt so betrunken, dass man sie glatt doppelt sieht. Wie immer auch etliche Bekannte dabei … nur einer nicht – der Paul. Ich gebe ihm fünf Minuten Zeit, will fair sein. Nichts. Ich greife also zum Telefon. Niemand geht dran; dann meldet sich die Mailbox. 'Ich bin gerade für meine Kunden unterwegs, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piepton.' So ein Angeber, für Kunden unterwegs. Hah. Immerhin erklärt er seinen 'Kunden', wie man einen Anrufbeantworter bespricht. Ich rufe nochmal an und nochmal. Zehn nach zehn; endlich meldet sich eine verschlafene heisere Stimme. »Paul, du klingst mehr nach Bett als nach Bahnhof. Der Zug fährt gleich ab.« – »Scheiße. Ich hab verpennt. Können wir etwas später fahren? Ich meine, es wäre doch schade …« – »Schwing die Hufe. Ich werde wohl irgendwo einen Kaffee trinken.« – »Ist gut.« – »Und wasch dich wenigstens ein bisschen. Beim ICE kann man kein Fenster aufmachen. 10.52 fährt der nächste, und dann 12.20, aber das wird knapp bis zum Volkspark.« – »In einer halben Stunde schaffe ich das nicht, jedenfalls wenn ich mich waschen soll.« – »Also gut, wir treffen uns Punkt zwölf, Gleis 24, ICE 788, aber diesmal wirklich!«

Gleis 24, 11.55

Ich habe tatsächlich Kaffee getrunken, aber der hat nicht geschmeckt. Naja, Pappbecher, Mac, irgendwie nicht das Wahre. Also bin ich rüber ins Hertie-Tiefgeschoss an die Theke am Eck. Ivo ist dortgesessen, eigentlich wie immer, und der Kellner hat mir gleich ein Helles eingeschenkt. Was ich hier mache, wollte Ivo wissen, ob ich wieder in der Schillerstraße arbeite. Ich habe ihm gesagt, ich hätte wieder so einen Job, ja, diesmal als Klavierspieler in der Piano-Bar, die Schicht beginne um zwölf, und er könne gerne einmal vorbeischauen. »Den Job müssen wir begießen«, meinte er, und bestellte zwei große Jäger, ein Weißbier und ein Helles. Zwei Runden später habe ich mich dann verabschiedet. Er meinte, »spiel einfach C-Dur, dann brauchst du nur die weißen Tasten. Ist einfacher.« Scherzkeks. Na, immerhin kam ich noch rechtzeitig zum Bahnsteig. Unglaublich: Paul ist früher dran als verabredet. Wir gehen also, beide nicht ganz senkrecht, ganz vor zum ersten Wagen. Dort treffen wir auf weitere Löwenfans. Wir öffnen die erste Runde Bierflaschen und singen: »denn seit mehr als 1000 Jahren sind die Löwen ungeschlagen.« Ja, das nennt man – 'Reisen' …

Kurz nach Ingolstadt, ca. 13 Uhr

Der Schaffner kommt in den Wagen, sieht die Fußballer, dreht sich um und verschwindet wieder. Ihm ist egal, dass hier Kneipe ist und geraucht wird. Ein netter Mensch. Naja, der restliche Wagen ist sowieso leer, eigentlich seltsam. Wenig später – Halt auf freier Strecke. Schafe auf dem Gleis, es ginge gleich weiter, hofft der Pilot.

Würzburg, 14.43

Letzter inländischer Bahnhof, der Zug hat 15 Minuten Verspätung. Zudem geht das Bier zur Neige. »Macht nichts«, sagt Paul, »ich habe noch ein paar Flaschen Mekhong dabei.« – »Paul, du weißt doch, dass ich von Whiskey unheimlich schnell blau werde.« – »Och, der hat doch bloß 35 Prozent, das geht schon.« Unsere Freunde singen: »wir sind so weiß, wir sind so blau, wir nehm' den Sieg gern mit nachhau … (s)« – sau-komisch! – »Paul, mach auf.«

Kassel-Wilhelmshöhe, 15:48

Wir singen »Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!« Der Zug fährt, immer noch plus 14, in den Bahnhof ein. »Wegen Verspätung hält unser Zug auf Gleis vier, Ausstieg links.« Der neue Schaffner kommt in den Wagen und macht Panik. »Mönsch Leudde, da müssder umschdäägn, gläsch gägeöbor äuf Gläs 3 schdääd dr ÜCÄ 598 äus Frangford, den grischder noch, määnsch hobd ihr än Dusel!« Wir packen eilig unsere Sachen – bis auf das Leergut – und steigen um. »Sakradi, und da sog noamoi oanawos gega de Bahnerer.«

Göttingen, 16.07

»Wir haben schon eine Minute Verspätung eingeholt«, meint ein Mitreisender. »Darauf trinken wir, ich hab noch Tequila dabei.«

Irgendwo, 16.36

Der Zug hält. »Das müsste Hannover sein«. – »Nein, da steht 'Hildesheim'«. – »Ist doch egal. Kennt sich irgendwer aus in der Gegend?« Niemand antwortet. »Also scheiß drauf. Prost.« – »Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!« Ich muss zugeben, dass ich dann ein wenig eingeschlafen bin.

Irgendwo anders, 17.42

»Jetzt wäre eigentlich planmäßige Ankunft in Hamburg am Hauptbahnhof. Naja, wir haben etwas Verspätung, also wirds etwa sechs Uhr, da haben wir immer noch eine Stunde Zeit, zum Volkspark zu fahren. Nach Stellingen fahren zwei Linien, die S-3 und die S-21, das werden wir schon schaffen. Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin. Prost!«

Spandau, 18.05

»Hey, seht ihr das? Berlin-Spandau! Das ist nicht Hamburg, ganz bestimmt nicht.« – »Egal. Wir sind, wo wir sind. Dann gehen wir eben in Berlin was trinken und reisen der Mannschaft sozusagen voraus. Einmal Löwe! Immer Löwe!!!«

Ankunft, 18.19

»Wir sind zwar nicht in Hamburg, aber immerhin pünktlich auf die Minute. Ein Hoch auf die Bahn.« – »Die Bahn, die Bahn, wir trinken auf die Bahn!« – »Olé, olé, olé …« Wenig später betreten wir ein nettes kleines Lokal irgendwo in einer Stadt, die nicht Hamburg ist. In der Ecke hängt ein Fernseher, wir hoffen auf die Übertragung. Eigentlich gar nicht so schlecht. »Hey, das Berliner Bier schmeckt echt prima …« – »Von wegen. Das ist Radeberger, aus Dresden, nicht aus Berlin. Nettes Lokal.« – »Ja, nettes Lokal.« Paul winkt mich hinüber zum Tresen, er hat mal wieder jemanden angequatscht. »Hallo«, meint der Fremde, »ich wusste gar nicht, dass heute Fußball ist.« – »Heute ist schon Fußball, aber nicht hier, sondern in Hamburg. Unsere Löwen sind im DFB-Pokal-Achtelfinale und spielen gegen den HSV.« – »Ach so. Und ihr seid Löwen, oder? Und was macht ihr hier in Berlin?« – »Wir sind sozusagen dem Finale vorausgereist. Nicht ganz absichtlich, aber ein wirklich gelungener Tag. Und mit wem haben wir das Vergnügen?« – »Schwarzer ist mein Name, ach was, Nicolai. Euer Verein muss echt knorke sein, Respekt. Wollt ihr ne Runde Schnaps?« Wir wollten.

         Jakob Krieger

 


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