Mit Sportverbänden bringt man gewöhnlich Formalitäten in Zusammenhang; Spielerpässe, Lizenzen, Liga-Alltag. Im November 2008 trat der BFV als Mitveranstalter des internationalen Maccabi-Konzerts »Music for Goals« in der Muffathalle auf und zeigte dort ein Transparent gegen Rassismus. Im Februar 2009 waren im Foyer der BFV-Geschäftsstelle Teile der von der ev. Versöhnungskirche Dachau herausgegebenen Wanderausstellung »Kicker, Kämpfer und Legenden Juden im deutschen Fußball« zu sehen. Wir wurden neugierig, fragten nach den Hintergründen und bekamen einen Gesprächstermin mit Reinhold Baier, dem Vizepräsidenten des Bayerischen Fußball-Verbandes
Die Frage, wie es dazu kam, ist einfach zu beantworten. Sport und soziale Gegebenheiten gehören zusammen, wir wollen uns den aktuellen Problemen stellen und klar Position beziehen. Hier wurden in der Vergangenheit Fehler gemacht; unangenehmen Themen wurde ausgewichen. Das wollen wir jetzt ändern, wir wollen präventiv arbeiten. Deshalb unsere Unterstützung für Veranstaltungen wie »Music for Goals«, deshalb »Kicker, Kämpfer und Legenden« in unserem Hause.
Der Sport insbesondere unser Fußballsport bietet eine gute Möglichkeit, mit anderen Leuten zusammen etwas zu unternehmen, einen Ausgleich zu schaffen zu alltäglichen Konkurrenz-Situationen. Im Großen und Ganzen funktioniert das auch hervorragend. Weder heute noch in meiner aktiven Zeit als Spieler (u.a. bei 1860) habe ich die Erfahrung gemacht, dass es Probleme wegen der Herkunft gegeben hätte, oder dass Ausländer sich bei uns in den Vereinen unwohl gefühlt hätten. Im Sport funktioniert es trotz aller anderweitiger Irritationen mit am besten, dass die Menschen miteinander auskommen. Dort begegnet man sich auf freiwilliger Basis, anders als etwa in der Schule oder in der Arbeit. »Integration durch Sport« das findet tatsächlich statt. Man verfolgt dort zusammen gemeinsame Ziele, redet miteinander über alle sozialen und sonstigen Grenzen hinweg. Deshalb muss man gerade dort Störfaktoren, die das aus welchen Gründen auch immer aus dem Gleichgewicht zu bringen versuchen, entgegen treten. Daher die ganzen Aktionen des DFB und seiner Landesverbände gegen Rassismus im Fußball, gegen Rassismus überhaupt.
Aktion »BFV gegen Rassismus«
Die Bundesligavereine haben bei den großen Aktionen von Anfang an mitgemacht, ohne 'wenn' und 'aber'. Die neueste Aktion mit dem Plakat, das an alle bayerischen Fußballvereine verschickt wurde, mit der Bitte, das gut sichtbar aufzuhängen, wurde ebenfalls positiv aufgenommen. Mir persönlich fehlt auf diesem Plakat der Bezug zum Verein, dass eben nicht nur der Verband gegen Rassismus ist, sondern auch die Vereine die das natürlich damit dokumentieren, indem sie die Plakate aufhängen. Man kann etwa von A-Klasse-Vereinen nicht erwarten, dass sie darüber hinaus große Veranstaltungen machen, aber wir haben immer wieder entsprechende Anfragen und unterstützen das auch, etwa mit Material. Solche Dinge sollen sich entwickeln vieles ist hier erst im Entstehen aber es war bisher bei allen offiziellen Anlässen nicht ein einziger bayerischer Verein dabei, der nicht mitmachen wollte oder gesagt hätte »wir haben keine Probleme, was soll das eigentlich?« Nicht nur die Vereine, auch beispielsweise die Schiedsrichter unterstützen diese Aktionen.
Aktion »Keine Gewalt im Jugendbereich«
Anders als der Titel vermuten lässt, ist hier die Zielgruppe die der Eltern. Sie sind bei den Spielen ihrer Kinder, etwa der E- und F-Jugend, immer dabei, und führen sich am Spielfeldrand oftmals geradezu unmöglich auf. Dies war für uns Anlass für eine Aktion mit Kärtchen aus der Sicht der Kinder nicht aus der Sicht des Verbandes , auf denen sie sich bei den Eltern bedanken, dass sie dabei sind verbunden mit der Bitte, sie doch in Ruhe Fußball spielen zu lassen.
Auf der Rückseite der Kärtchen standen Verhaltensregeln für die Eltern. Auch daran waren die Schiedsrichter maßgeblich beteiligt. Wir wiederholen dies von Zeit zu Zeit, packen damit die Eltern an der Ehre, dass sie eben beim Anfeuern ihrer Kinder nicht sagen »hau ihn um!« und damit Druck machen, den die Kinder nicht haben sollen. Der DFB hat das aufgegriffen unter dem Motto »die Eltern als Vorbild«. Das ist alles nicht spektakulär, aber es sind wichtige kleine Schritte. Einen 45-jährigen wird man nicht mehr entscheidend ändern, aber den Kleinen müssen wir beibringen, dass man beim Fußball gemeinsam viel Spaß haben kann, nicht nur auf dem Platz, sondern auch im Umfeld. Und dass man, wenn man einmal verliert, das sportlich nimmt dass eben nicht, wie es leider oft genug passiert, der große Frust ausbricht, der Trainer durchdreht, dass sich hinterher geprügelt wird.
AG »Gemeinsam und fair«
Wir haben eine Arbeitsgruppe »gemeinsam und fair« eingerichtet, die sich um Probleme auf Vereinsebene kümmert. So gibt es vereinzelt Vereine, die immer wieder mit dem Sportgericht zu tun haben. Wenn man die dann einmal näher anschaut, stellt man fest, dass es dort entscheidend an den Strukturen fehlt. Dort wird Basisarbeit gebraucht, dort müssen wir die Grundlagen des Verbandes und des Vereinswesens erklären. Das wird auch sehr gerne angenommen; die Leute staunen, wenn wir sie besuchen sie hätten sich von sich aus nie getraut, den BFV um Unterstützung oder Vermittlung zu bitten.
Die Vereine sind oft nicht in der Lage, mit Problemen umzugehen, etwa dass sich Spieler, aber auch Leute aus dem Publikum, immer wieder provozieren lassen, was dann in Gewalt ausartet und das in der Kreisklasse. Da gibt es niemand, der vermittelt oder klärt. Hier wird Basisarbeit gebraucht. Hier sind wir in der Verantwortung, den Vereinen zu zeigen, wie sie ihre Strukturen verbessern können.
Aktionen der Vereine
Es wird im Mai auf den durch den DFB gebauten 1000 Mini-Spielfeldern einen Integrationstag geben, den die Standorte durchführen und inhaltlich planen werden, mit Unterstützung der Verbände. Dort sollen speziell Migrantenkinder, insbesondere auch Mädchen, angesprochen werden. Wie das die einzelnen Standorte machen, schreiben die Verbände nicht vor.
Dabei gilt die Devise »weniger ist mehr«. Es bringt nichts, etwa jeden Monat einen Antirassismus-Tag durchzuführen; das wird dann schnell uninteressant. Man muss so etwas gezielt platzieren, etwa im Zusammenhang mit den demnächst stattfindenden »internationalen Wochen gegen Rassismus« und zwar am besten mit ganz einfachen Mitteln, einem Flyer, der an der Kasse ausliegt etwa, dazu eine Stadiondurchsage. Damit ist das Thema angesprochen, damit ist gesagt »lasst eure Probleme außen vor, es geht viel besser friedlich miteinander, das macht viel mehr Spaß«. Nur keine zwanghaften Veranstaltungen, es muss kein großes Volksfest sein. Ein paar aktuelle prägnante Sätze kommen besser an als lange Reden. Bei einer Meisterfeier kann man so etwas einbauen; andere bedauern den Abstieg und feiern trotzdem, auch da geht das.
Eine der wichtigen Aufgaben unseresVerbandes ist die Unterstützung der Vereine, gerade des Trainer-, Übungsleiter- und Betreuerbereiches das sind Leute, die als Laien wichtige Aufgaben übernehmen. Hier bieten wir in Zusammenhang mit dem Kinderschutzbund Schulungen an, das wird gut angenommen. Neben den verwaltungstechnischen Dingen, Spielerpässe und solche Formalien, ist ein Schwerpunkt die Betreuung der jungen Sportler, etwa wenn es Konflikte innerhalb der Mannschaft gibt, wie man damit in möglichst spielerischer Form umgehen kann, dass man da nicht mit dem Dampfhammer draufhaut, »Ruah do herin!«. Das funktioniert gut.
Integration
Wenn wir von Integration reden, müssen wir auch die Leute kennen lernen, die wir integrieren wollen. Das geht schon damit los, dass wir ihre Feiertage berücksichtigen. Es ist eine Benachteiligung, wenn wir wichtige Spiele in die Fastenzeit verlegen, ob uns das bewusst ist oder nicht. Oder das Verhältnis zur Obrigkeit zur Vereinsleitung oder zu Verbänden: Unsere Strukturen hierzulande sind keineswegs international selbstverständlich, ebenso die ehrenamtlichen Vereinsstrukturen. Oft sind Vereine in den Herkunftsländern streng hierarchisch geführt da gibt es einen Präsidenten, vielleicht noch einen Geschäftsführer, und der Rest ist Fußvolk und hat nichts zu sagen. Weitere Funktionen gibt es nicht.
Das muss man natürlich alles wissen, sonst kann man nichts ausrichten. Viele Probleme resultieren daraus, dass die Organisation nicht funktioniert, weil es sie schlicht nicht gibt. Da fehlen Spielerpässe, fehlen Verbands-Abgaben, da wird nicht abgesagt, wenn die Mannschaft nicht antreten kann all das landet dann beim Sportgericht. Andererseits fühlen sich die Leute manchmal diskriminiert, obwohl sie behandelt werden wie alle anderen bei gelben Karten etwa. Unsere Aufgabe ist, zu verhindern, dass solche Dinge zur Eskalation führen. Es gab einen Fall, wo eine Mannschaft aufgestiegen ist, weil sie von all ihren Gegnern boykottiert wurde und ihre Punkte 'am grünen Tisch' bekam. So kann das doch nicht gehen.
Beim BFV versuchen wir, Probleme zu lösen, bevor es zur Eskalation kommt. Das ist nicht immer leicht. Wir haben in Bayern immerhin 4500 Fußballvereine mit 1,3 Millionen Mitgliedern.
Vergangenheit und Verantwortung
Noch einmal zur Ausstellung »Kicker, Kämpfer und Legenden«: Sie gastierte im Herbst 2008 beim ASV Dachau, das war für uns der Anlass, sie bekannt zu machen bei den Leuten, die täglich bei uns ein- und ausgehen. Die Ausstellung ist gut, übersichtlich und authentisch, nennt Namen, bezieht sich auf Personen, so dass man das nachvollziehen kann. Das waren verdiente Leute; das sollte man immer wieder bewusst machen, zu was der Ausschluss solcher Leute führt beispielsweise.
Man muss das Thema immer wieder ansprechen, muss die Menschen damit konfrontieren. In meiner Schulzeit gab es nie eine konkrete Konfrontation mit Einzelschicksalen. Die Menge der Kriege von-bis, die trockenen Daten gehen zu einem Ohr rein und zum anderen hinaus. Man kann sich nichts Konkretes vorstellen. Ich habe das vermisst, was Leute wie Ernst Grube (vgl. Löwenmut 5) heute in den Schulen vermittelt. Die Wirklichkeit war viel dramatischer, das konnte ich mir damals gar nicht vorstellen.
Wir vom BFV wollen die Vergangenheit aufarbeiten. Man muss sich der Vergangenheit stellen, sich dem stellen, was passiert ist und nicht wieder passieren soll. Es ist dramatisch, was Menschen damals erleben mussten; das wollen wir den jungen Leuten vermitteln, damit sie sich ein Bild davon machen können. Das macht einen nicht unerheblichen Teil der Verbandsarbeit aus. Gesellschaftliche Themen gehören dazu, wir haben eine soziale Aufgabe und Verantwortung. Das darf nicht untergehen, geht über den reinen Fußballbetrieb hinaus Fußball ist mehr ein als '1:0'. Alles schaut auf Fußball, das bedeutet auch Verantwortung.
Die Vorbildfunktion der Fußballer ist nicht zu unterschätzen, auch wenn das nicht alle Leute genauso sehen wie ich. Wenn ein Spieler sich mit unfairen Aktionen brüstet, dann ist das nicht gut. Die Profi-Fußballer sind ein Vorbild für all die vielen Amateure und Fans, gerade für die jungen Leute. Und im Amateurfußball wird Basisarbeit geleistet für die Profis, das gehört zusammen.
Jakob Krieger
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