Loewenmut

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Aus Heft 6: Stadionverbote – rechtliche Bewertung

Zahlreiche unberechtigte Stadionverbote in den letzten Monaten und eine rechtlich mehr als zweifelhafte, teilweise gegen elementare Rechtsgrundsätze verstoßende Praxis durch die Vereine und Kapitalgesellschaften der DFL sowie durch den DFB haben in der letzten Zeit zu immer größerem Unverständnis und Protesten in der Fanszene geführt. Die Fans sind aufgrund der strikten Haltung der Vereine und des DFB mittlerweile gezwungen, mit anwaltlicher Hilfe zu ihrem Recht bzw. ins Stadion zu kommen.

Aus meiner anwaltlichen Tätigkeit sind mir dabei zahlreiche Fälle bekannt geworden, in denen sich eine mehr als bedenkliche Praxis im Zusammenhang mit Stadionverboten zeigte. Die gravierendsten Missstände sind dabei folgende:

1.
1. Bei den Vereinen/Kapitalgesellschaften liegt die Zuständigkeit für die Verhängung und Aufhebung von Stadionverboten oftmals bei Personen, die keinerlei juristische Vorbildung besitzen (bei der FC Bayern München AG ist z.B. u.a. der Ex-Torwart Aumann hierfür zuständig). Es wäre daher erforderlich, dass die Zuständigkeit auf Personen übertragen wird, die über juristische Vorbildung verfügen. Denkbar wäre auch, laufende juristische Schulungen für die zuständigen Personen durchzuführen. Zudem haben die Vereine/Kapitalgesellschaften relativ wenig Mitspracherecht beim Thema Stadionverbote, da sie gezwungen sind, die Richtlinien des DFB zu den Stadionverboten zu unterzeichnen, weil sie andernfalls keine Lizenzen erhalten.
 
2.
Das Stadionverbot ist eigentlich eine privatrechtliche Ausübung des Hausrechts. In der Praxis werden Stadionverbote jedoch meist allein auf Vorschlag und Anraten der Polizei verhängt. Die Polizei, meist die »szenekundigen Beamten«, versendet in der Regel formularmäßig eine Liste mit Personen an die Vereine/Kapitalgesellschaften mit dem Hinweis, dass gegen die auf der Liste genannten Personen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, etwa wegen Landfriedensbruch. Eine eigene Prüfung des Sachverhalts durch den Verein findet meist nicht statt. Ein auf dieser Praxis ergangenes Stadionverbot ist jedoch nicht rechtmäßig und kann bei den Zivilgerichten angegriffen werden. Ohne eine eigene Prüfung des Sachverhalts und die Durchführung einer Bewertung der von den konkret betroffenen Personen ausgehenden Gefahr ist ein Stadionverbot nicht rechtmäßig. Der Polizei werden durch diese momentan gängige Praxis faktisch Befugnisse gegeben, die ihr ansonsten rechtlich nicht zustehen würden. Das Sicherheitsrecht wird durch diese Praxis der Verhängung von Stadionverboten in rechtswidriger Weise umgangen.
 
3.
Oftmals werden sogar ganze »Busladungen« oder Gruppen nach dem »Gießkannenprinzip« mit einer Strafanzeige überzogen, obwohl beispielsweise klar ist, dass eine Tat nur von einer einzelnen Person begangen wurde, diese aber noch nicht identifiziert wurde (z.B eine Scheibe im Bus wurde eingeschlagen oder ein Diebstahl an der Tankstelle wurde angezeigt). In diesen Fällen wird die Unschuldsvermutung in bedenklicher Art und Weise umgekehrt. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens setzt voraus, dass ein Anfangsverdacht vorliegt. Dies wird oftmals seitens der Polizei allein mit der Tatsache des Mitfahrens im Bus oder der Zugehörigkeit zu einer Gruppe begründet, ohne dass weitere Verdachtsmomente vorliegen. Wegen der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen alle Personen aus einer Gruppe droht diesen dann sogleich die Verhängung eines Stadionverbotes mit der alleinigen Begründung der »Einleitung eines Ermittlungsverfahrens«. Das drohende Stadionverbot scheint in diesen Fällen auch dazu benutzt zu werden, Betroffene zu einer Aussage über die Identität eines Täters zu bewegen, obwohl diese eigentlich von ihrer Berechtigung zur Aussageverweigerung Gebrauch machen wollten. Auch dies stellt eine Aushöhlung elementarer Rechte dar. Diese Praxis erinnert eher an »Sippenhaft« als an einen Rechtsstaat.
 
4.
Die Ermittlungsverfahren dauern oftmals mehrere Monate, in denen das Stadionverbot bestehen bleibt. Seitens der Polizei wird dies meist damit begründet, dass man eine solch große Anzahl von Beschuldigten habe, dass die Ermittlungen und Befragungen einfach entsprechend lange dauern würden. Die Polizei schafft sich sozusagen durch die Beschuldigung großer Personengruppen die Legitimation langer Verfahrensdauer selbst. Dies höhlt die verfassungsmäßig garantierten Bürgerrechte der Unschuldsvermutung und des Beschleunigungsgebotes in unzumutbarer Art und Weise aus. Häufig kommt es nach mehrmonatigen Ermittlungen zu Einstellungen der Verfahren durch die Staatsanwaltschaft, und die Stadionverbote müssen aufgehoben werden. In diesen Fällen haben die Fans sozusagen eine Sanktion erhalten, ohne dass sie sich etwas zu Schulde haben kommen lassen.
 
5.
Aber auch nach einer Einstellung des Verfahrens dauert es mitunter mehrere Wochen, bis die Stadionverbote seitens der Vereine/Kapitalgesellschaften aufgehoben werden. Dies, obwohl rechtlich eine Verpflichtung besteht, die Stadionverbote aufzuheben. Die Vereine/Kapitalgesellschaften setzen sich dabei über die Rechte der Fans hinweg und verlängern somit die Wirkung des Stadionverbots noch unnötig weiter.

Abschließend sei bemerkt, dass für viele Fans der Stadionbesuch und das Gruppenerlebnis das »Haupthobby« sind. Viele trifft daher ein Stadionverbot sehr hart.

Zudem handelt es sich häufig um jugendliche bzw. heranwachsende Fans. Die momentane Praxis und der bedenkliche Umgang mit Bürgerrechten sind daher auch aus pädagogischer Sicht völlig unverständlich. Es besteht daher dringender Bedarf, die Richtlinien des DFB zu den Stadionverboten und die Praxis der Vereine und Kapitalgesellschaften der Bundes- und Regionalligen zu verändern.

         Marco Noli, Rechtsanwalt, München 08.12.2006

 


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