Eigentlich wollte ich die Geschichte ja für mich behalten. Zu peinlich irgendwie. Doch habe ich sie letztens meinem Chefredakteur erzählt, und der meinte sofort: »Hey, das musst du bringen, die Leute interessiert das. Schau in die Illustrierten, so kleine Peinlichkeiten, wenn Küblböck falsch singt, sowas, sowas lesen die Leute am liebsten!«. Ich grummelte nur: »Geh, das macht der doch immer. Keine Chance.« »Ich zahle dir ein Bier, wenn du die Geschichte schreibst«. Gewonnen. Der Mann weiß eben, wie man Mitarbeiter motiviert.
Also, es ist Aschermittwoch 2004, das Telefon klingelt, der Bangkok-Paul ist dran. »Servus Paul, was gibts denn, brauchst Kohle?« »Ja und nein. Ich hab ein Geschäft für dich.« »So, so, ein Geschäft. Falsche Rolex?« »Nein, was Ehrliches.« Kurz, wir treffen uns am frühen Abend in seinem »Büro«, sprich, im Donnereck. Er kommt gleich zur Sache. »Ich hab einen Chinesen kennen gelernt, die stellen so Bärli her, weißt ja, so Maskottchen. Ganz billig«. »Ganz billig klingt gut. Aber Bärli, ich brauch kein Bärli. Wenn, dann Löwen.-L-Ö-W-E-N.« »Löwen kann der auch. Muster gibt's für lau. Hastn Foto da von deinem Löwen?« »Ja, wie's der Teufel will hier. Das ist dieses Löwenkostüm, wo einer innen drin steckt, der hupft immer um das Spielfeld rum, kennst ja.« »Klar. Das Foto nehm ich mit. Wird genau so, 100%.«
Ganz ehrlich, ich hatte schon am nächsten Tag vergessen, was wir ausgemacht hatten. Doch Anfang April ruft der Bangkok-Paul wieder an. »Hey, ich hab deinen Löwen.« »Meinen WAS?« »Löwe. Schau ihn dir an. Astrein geworden!« Wir treffen uns also wieder im Donnereck. »Na, wie findest ihn?« »Wen?« »Na, den Löwen!« »Welchen Löwen?« »Schau mal auf die Theke, da sitzt er!«. Ich muss husten, mir schäumt das Bier durch die Nase. »Wie, das da?« »Wieso, gefällt er dir nicht?« »Nein. Das ist doch höchstens ein Westerwelle-Löwe, aber nie und nimmer ein Löwen-Löwe. Vergiss es. Am Hemd fehlen die blauen Streifen, und er hat keine Hosen an, und drunter fehlt das, warum man Hosen anzieht. Und das blöde Geschau, Jessas. Und das Schlimmste: es steht '06' drauf statt '60'. Pack ihn weg, sei so gut.« »Ja, aber « »Was aber, du hast gesagt, Muster für lau, und das Muster bringts nicht. Prost.« »Prost. Schon, das Muster ist für lau, aber « »Aber « » aber nur, wenn man 10000 Stück kauft.« »Also, du hast 10000 Stück bestellt, auf meinen Namen, und in acht Wochen kommt ein Container, ja?« »Nein, in sechs Wochen kommt der Container.« »Wirt, eine Flasche Wodka, und die kommt beim Paul auf den Deckel.« Der Paul hat nichts mehr gesagt, und ich auch nicht.
Diesmal konnte ich mich am nächsten Tag sehr gut erinnern, trotz Wodka. Bin sofort losgestiefelt, von einem Sporthaus-Einkäufer zum nächsten, zu Spielzeughändlern, ja sogar in einschlägige Sexläden (hab ihn dort als »schwulen Löwen« angepriesen, ich gebs ja zu). Nichts. Mit Schimpf und Schande haben sie mich davon gejagt, alle, durch die Bank. Die Deadline rückte immer näher, ich war verzweifelt, sah schon die Chinesen-Mafia mit der Knarre vor meinem Haus stehen. Nichts, nichts, nichts.
Dann bin ich nach Frankfurt gefahren, mehr verrate ich nicht. Ich habe die Strategie geändert, habe ihn angepriesen: »Schön wie Lothar Matthäus, elegant wie Diego Maradona und weltmännisch wie Oliver Bierhoff«. Und, was sage ich, sie haben unterschrieben. Uff. Konnte sogar den Deckel vom Bangkok-Paul bezahlen und den Rover in die Werkstatt bringen. Wer den blöden Löwen gekauft hat, da müsst ihr selber drauf kommen.
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